Ende der 1930er Jahre war die politische Lage in ganz Europa angespannter geworden, und auch in der estnischen Innenpolitik war eine Schwächung der Demokratie zu beobachten. Im Jahr 1939 wurde der Molotow-Ribbentrop-Pakt zwischen den Ländern unter Stalin und Hitler unterzeichnet, der Europa in ihre Einflusssphären aufteilte. Im Juni 1940 besetzte die Sowjetunion Estland, was nicht nur eine Veränderung der politischen Lage bedeutete, sondern sich auch auf die Aktivitäten der religiösen Vereinigungen und Kirchen in diesem Land auszuwirken begann.
Im Herbst 1940 wird die Lage in Estland noch angespannter. Im Oktober schickt Erzbischof Profittlich seinen ersten Brief nach Rom und bittet um Rat, was er tun soll - entweder bei seiner Gemeinde in Estland bleiben oder nach Deutschland gehen. Profittlich muss die deutsche Botschaft bis zum 15. November 1940 über seine Entscheidung informieren. Doch der Vatikan antwortet nicht. Erzbischof Profittlich schickt daraufhin schnell ein neues Schreiben an Kardinal Maglione in Rom, in dem er ihn über die Lage der Kirche in Estland informiert.
Obwohl Erzbischof Eduard Profittlich erwägt, nach Deutschland zu gehen, versucht er weiterhin, mit Rom Kontakt aufzunehmen und schickt im Januar 1941 einen weiteren Brief. Einen Monat später, im Februar, erhält er eine Antwort von der Berliner Nuntiatur, wo der Apostolische Nuntius Orsenigo (1873-1946) ihm die Entscheidung des Heiligen Vaters mitteilt. Der Diener Gottes hat die Freiheit, das zu tun, was er im Namen Gottes für das Beste hält, aber die Entscheidung muss das Wohl der Seelen berücksichtigen, die seinem Vorgesetzten anvertraut sind.
Im Gebet und durch Selbstprüfung erkennt Profittlich, dass er bei seiner Herde bleiben muss. Er stellt sich seinem Schicksal mit großer Zuversicht und Überzeugung. Profittlich schreibt erneut nach Rom und teilt dem Papst seine Entscheidung mit und bittet um den Segen des Heiligen Vaters. Gleichzeitig teilt Profittlich seinen Verwandten in Deutschland mit, dass er sich entschieden hat, in Estland zu bleiben:
„Es geziehmt sich ja wohl, dass der Hirte bei seiner Herde bleibt und mit ihr Freud und Leid gemeinsam trägt. Und ich muss sagen, dass mich dieser Entschluss zwar einige Wochen der Vorbereitung kostete, ich ihn dann aber nicht mit Furcht und Angst traf, sondern sogar mit großer Freude [...].
Ich hätte es jedem sagen mögen, wie gut Gott doch gegen uns ist, wenn wir uns ihm ganz hingeben, wie glücklich man doch werden kann, wenn man bereit ist, alles, Freiheit und Leben für Christus hinzugeben. Was auch immer kommen mag, ich weiß, Gott wird mit mir sein. Und dann wird schon alles gut sein. Und mein Leben und, wenn es sein soll, mein Sterben wird Leben und Sterben in Christus sein. Und das ist so überaus schön.“